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Friedhöfe in der Region"
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Neubrandenburg (Kreisstadt,
Landkreis Mecklenburgische Seenplatte)
Jüdische Geschichte / Synagoge / jüdischer Friedhof
Übersicht:
Zur Geschichte der
jüdischen Gemeinde und der Synagoge
Siehe in der Website "Juden in Mecklenburg" den Beitrag
http://www.juden-in-mecklenburg.de/Orte/Neubrandenburg
sowie zur Geschichte der Synagoge
http://www.juden-in-mecklenburg.de/Synagogen/Synagoge_Neubrandenburg
Weiter die Darstellung in
https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/m-o/1397-neubrandenburg-mecklenburg-vorpommern
Aus der Geschichte der
jüdischen Gemeinde
Über die Entstehung der jüdischen Gemeinde in
Neubrandenburg (Bericht von 1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 6. Oktober 1874: "Neubrandenburg (Mecklenburg). Mehr
noch als die großen, bedürfen die kleineren Gemeinden der Unterstützung
durch die Presse. Gestatten Sie daher auch folgender Mitteilung einen
Raum.
Wie in Mecklenburg-Schwerin, Rostock und Wismar, so hatten in
Mecklenburg-Strelitz, Neubrandenburg, Friedland und Woldegk das
Privilegium, dass diese Städte keine Juden bewohnen durften; jedoch waren
in diesen drei letzteren Städten unseren Glaubensgenossen die Tore nicht
so fest verschlossen, wie in den ersteren. Wenn auch heimlich, so
siedelten sich doch nach und nach, namentlich in Neubrandenburg,
einige Glaubensgenossen an, und als diese während der Kriegsjahre im
Anfang dieses Jahrhunderts auch die städtischen Kriegslasten mittragen
mussten, so entschied die Landesregierung, dass sie dadurch auch das Recht
erlangt hätten, sich dort aufzuhalten. Es wurden ihnen Konzessionen zum
Handel erteilt, worin bemerkt war, dass ihr Wohnsitz Strelitz oder Fürstenberg
sei, mit der Erlaubnis, sich in Neubrandenburg aufzuhalten. Ende der
dreißiger Jahre erhielt zuerst Jacob Barsdorf eine Konzession auf
Neubrandenburg als Wohnsitz, und so folgten später mehrere, jedoch wurde
ihnen die Bedingung gestellt, ihren Beitrag zur jüdischen Gemeinde in Strelitz
zu bezahlen. Strelitz ist 4 Meilen von hier entfernt, dorthin mussten die
hiesigen Glaubensgenossen die Leichen ihrer Verstorbenen zur Beerdigung
bringen, dorthin mussten sie Gemeindebeitrag zahlen, obgleich sie hier
auch einen Schächter und Lehrer, sowie ein Lokal zum Gottesdienst halten
mussten. Diesen Übelständen abzuhelfen, war der Wunsch der hiesigen
Glaubensgenossen, und im Jahre 1864 willigte die Regierung in
diesen Wunsch, und seit der Zeit bilden sie eine selbstständige
Gemeinde, welche damals neun Familien zählte. Unsere erste Sorge war,
einen Gottesacker zu schaffen, die Stadt gab uns bereitwilligst
einen Platz dazu gegen Grundpacht, jedoch die Mauer um denselben kostete
uns über 600 Thaler. Seit dem Freizügigkeitsgesetz von 1866 hat sich
unsere kleine Gemeinde bis circa zwanzig Familien vermehrt, wozu auch noch
die in Friedland, Woldegk und Stargard seit dieser
Zeit angesiedelten circa zwölf Familien gehören, sodass dasjenige Lokal,
welches wir bisher als Synagoge benutzt haben, wenigstens für die
hohen Festtage nicht mehr ausreicht, ein größeres Mietslokal können wir
nicht finden, und so sind wir gezwungen eine Synagoge zu bauen. Hierzu
fehlen uns jedoch die Mittel, und so verfielen wir auf die Idee, eine
Lotterie einzurichten, deren Überschuss uns ein Grundkapital zum Bau
einer Synagoge liefern soll. Unsere Landesregierung hat uns bereitwilligst
die Konzession dazu erteilt." |
25-jähriges Bestehen der jüdischen Gemeinde in
Neubrandenburg (1889)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. Juli 1889: "Neubrandenburg, (Mecklenburg), 30.
Juni (1889). Gestern feierte die hiesige israelitische Gemeinde den
Jahrestag ihres 25-jährigen Bestehens; dieselbe, die sich im Jahre 1865
aus nur 9 stimmberechtigten Mitgliedern bildete, ist inzwischen auf 30
Mitglieder angewachsen. - Während dieser 25 Jahre war Herr Gustav
Götz mit nur kurzer Unterbrechung einer der Vorsteher, und wurde ihm
gestern früh im Auftrage der Gemeinde durch eine Abordnung derselben als
Dank für seine Amtsführung ein Ehrengeschenk, bestehend in einem mit
Widmung versehenen Prachtwerk, überreicht; später fand ein feierlicher
Dank-Gottesdienst in der Synagoge statt, bei dem Herr Landesrabbiner
Dr. Hamburger die Festrede hielt. Um 11 1/2 Uhr erschienen als
Deputierte des Magistrats Herr Syndikus Dr. Pries und Herr
Senator Rosenhagen in der Wohnung des Vorstehers Löwenhaupt
und sprachen der jüdischen Gemeinde die Glückwünsche unserer
städtischen Behörde aus.
Am Abend vereinigte ein festliches Mahl die Mitglieder und ihre Familien
im Stöwhase'schen Lokale; als Ehrengäste waren Herr Bürgermeister
Brückner und Herr Senator Rosenhagen gegenwärtig. Den ersten
Toast auf unsern Landesherrn, unsern allergnädigsten Groß0herzog brachte
Herr S. Löwenhaupt aus, er wies darauf hin, dass Seine Königliche
Hoheit der Gemeinde stets in huldvollster, tolerantester Weise Wohlwollen
und Förderung angedeihen ließ und sich dadurch im Herzen der
Festgenossen ein unvergängliches Denkmal errichtet habe. - Im Anschluss
hieran wurde Serenissimus ein Telegramm übersandt, in welchem diese
Gesinnungen der Treue und Dankbarkeit zum Ausdruck gelangten. Seine
Königliche Hoheit der Großherzig geruhten den Festgroß durch folgende
Depesche zu beantworten:
'Der zum 25-jährigen Stiftungsfest gestern Abend versammelt gewesenen
israelitischen Gemeinde sage Ich freundlichen Dank für den Ausdruck ihrer
treuen und dankbaren Gesinnung, welchen Ich gern entgegen genommen habe.
Großherzog.'
Beim Festmahl folgte zunächst ein Trinkspruch auf Seine Majestät den
deutschen Kaiser, gehalten vom Herrn Senator Rosenhagen, und dann erhob
Herr Bürgermeister Brückner sein Glas und weihte dasselbe dem Gedeihen
und Wohlergehen der hiesigen jüdischen Gemeinde. - Der Redner, welcher
derselben von ihrem ersten Anfang an Berater gewesen, ihre Begründung bei
hoher Regierung vermittelt und geleitet, als Magistrats-Deputierter ihren
Sitzungen präsidiert hat, bezeugte auch in seiner Rede wie durch sein
Wirken das stets gleiche Wohlwollen, mit dem er das bis jetzt Geleistete
anerkannte und zu rüstigem Weiterwirken ermutigte. Diese Worte weckten
lauten Dank und werden allen Anwesenden unvergesslich bleiben. Nachdem nun
noch von verschiedenen Festteilnehmern Toaste auf den Magistrat von Neubrandenburg,
auf den Vorstand usw. ausgebracht waren, reihte sich nach Schluss des
Mahls ein Tanz an, der die Gesellschaft bis zu früher Stunde vereinigte,
und wird dieser Gedenktag bei allen Teilnehmern eine frohe Erinnerung hinterlassen
haben." |
Zur Geschichte der Synagoge
Die in den 1860er-Jahren in Neubrandenburg
entstandene und im Juni 1864 offiziell gegründete jüdische Gemeinde in
Neubrandenburg (siehe Berichte oben) stellte 1876 bei den Behörden einen Antrag auf
Errichtung einer Synagoge. Seit mehreren Jahren hatte man hierfür bereits
Gelder und Spenden gesammelt (siehe Bericht unten). Auf Grund einer Spende des Großherzogs und nach
Durchführung einer Synagogenbau-Lotterie waren die notwendigen Mittel zum
Beginn des Baus gesammelt. Die Genehmigung wurde erteilt. Die Synagoge konnte am
4. September 1877 durch Rabbiner Dr. Jakob Hamburger eingeweiht werden.
Bis 1937
fanden in der Synagoge regelmäßige Gottesdienste statt. Im Frühjahr 1937 kam
es zu Verwüstungen und zur Zertrümmerung der Fenster bei einem Anschlag. Bis
Herbst konnte das Gebäude renoviert werden, doch wurden im Oktober 1937
wiederum die Scheiben zertrümmert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
durch Schändung und Brandstiftung völlig zerstört. Die Brandruine wurde
abgebrochen.
Aus der Geschichte der Synagoge
Geschenk
des Großherzogs zum Bau der Synagoge (1875) |
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Mai 1875:
"Neubrandenburg (Mecklenburg), 28. April (1875). Ihre Leser
werden sich erinnern, dass die hiesige, wenig zahlreiche Gemeinde sich ein
schönes Gotteshaus zu bauen unternommen und dazu die größten Opfer
gebracht hat, ohne diese auszureichen vermögen. Heute habe ich die erfreuliche
Mitteilung zu machen, dass unser Großherzog uns zu obigem Zwecke ein
Geschenk von 1.500 Reichsmark angewiesen, und als der Vorstand sich bei
ihm bedankte, die wohlwollendste Gesinnung für uns ausgesprochen hat. Wir
haben auch eine Lotterie für den Bau der Synagoge eingerichtet, deren
Ziehung vor Ostern stattfinden sollte. Die Großherzogliche Regierung hat
uns einen Aufschub bewilligt, und die Ziehung ist auf den 15. September
festgesetzt worden." |
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Neubrandenburger
Synagogenbau-Lotterie (1875) |
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Mai 1875:
"Neubrandenburger Synagogenbau-Lotterie. Nachdem es uns trotz
aller Bemühungen nicht hat gelingen wollen, bis Ostern sämtliche Lose zu
platzieren, ist mit Genehmigung der Großherzoglichen Landes-Regierung der
Ziehungstag unserer Synagogenbau-Lotterie nunmehr aus den 15. September
dieses Jahres festgesetzt.
Lose sind noch bei den unterzeichneten Komitee-Mitgliedern zu haben.
Neubrandenburg, im April 1875.
Das Komitee der Synagogenbau-Lotterie. Gustav Götz. Sylvester
Löwenhaupt. Hermann Heine. Hermann Wolff." |
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Einweihung
der Synagoge (1877) |
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. September
1877: "Am 4. September wurde, wie man uns schreibt, in Neubrandenburg
(Mecklenburg-Strelitz) die neue, prachtvolle Synagoge feierlich
eingeweiht. Die ganze Bevölkerung nahm den erfreulichsten Anteil und auch
der Großherzog sandte der Gemeinde durch ein Kabinettsschreiben seinen
Glückwunsch". |
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Rechts: Die Synagoge in
Neubrandenburg
(Quelle: Stadt Neubrandenburg; www.synagogen.info) |
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Standort der ehemaligen
Synagoge:
Link
zu den Google-Maps |
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Postkarte von
Neubrandenburg
mit Abbildung der Synagoge (1897)
(aus der Sammlung von
Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries) |
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Die obige Litho-Ansichtskarte mit einer
Darstellung der Synagoge in Neubrandenburg wurde am 14. September 1897
nach Parchim versandt. |
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25.
Jahrestag der Einweihung der Synagoge (1902) |
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. Oktober 1902: "Neubrandenburg, im September
(1902). Es war am 4. September 1877, als die Stadt Neubrandenburg in
Mecklenburg-Strelitz unter dem Zeichen eines großen Ereignisses stand.
Fahnen wehten von den Häusern, Girlanden schmückten die Häuser, und
eine feierlich gestimmte Menge festlich gekleideter Menschen füllte die
Straßen. Es galt die Einweihung der neu erbauten Synagoge, die
durch die Tatkraft der jüdischen Gemeindemitglieder entstanden war. Die
ganze Bürgerschaft feierte das Fest mit, der verpestende Hauch des
Antisemitismus war in die Mecklenburgischen Lande nicht gedrungen.
Mecklenburg, dieses mit Unrecht so oft verspottete und verleumdete Land,
seine Fürsten und Regierungen haben ihren jüdischen Bewohnern stets die
Parität und das Wohlwollen gezeigt, auf das sie als gleichberechtigte
Staatsbürger Anspruch hatten, und unvergessen werden dem regierenden
Großherzig Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz die Worte bleiben,
die er vor einigen Jahren noch in einer Audienz gegenüber dem leider zu
früh verstorbenen Vorsteher der jüdischen Gemeinde zu Neubrandenburg,
seligen Herrn Sylvester Löwenhaupt, aussprach: 'Sagen Sie Ihren
Glaubensgenossen, dass ich keine jüdischen und keine christlichen
Untertanen kenne, sondern nur Bürger, die dem Staate gegenüber ihre
Pflicht tun und das Vaterland lieben. Schwarze Schafe gibt es auf beiden
Seiten!' Fürwahr, ein hochherziges Wort, das, gesprochen in einer Zeit
des wüstesten Antisemitismus, den bedrückten Herzen Mut und Hoffnung auf
eine bessere Zukunft einflößte! Diese Toleranz war die Richtschnur der
mecklenburgischen Regierung stets gewesen, und durch diese wurde es auch
der jüdischen Gemeinde ermöglicht, ein würdiges Gotteshaus zu bauen. Um
die Mittel hierzu aufzubringen, wurde die Genehmigung einer Geldlotterie
erteilt; der Fürst, christliche und jüdische Bürger zeichneten namhafte
Beiträge, und als am 4. September die Synagoge dem Dienste Gottes übergeben
wurde, wohnten der erhebenden Einweihungsfeier Vertreter des Fürsten und
der Regierung, Bürgermeister und Bürgerschaft, Geistlichkeit und
Lehrerschaft bei. Der selige Herr Sylvester Löwenhaupt, der sich sowohl
um den Bau des Gotteshauses wie nachher noch viele Jahre hindurch um die
jüdischen Gemeinden Mecklenburgs so hohe Verdienste erworben hat, konnte
auf dem der Einweihung folgenden Bankett mit großer Genugtuung die
Tatsache aussprechen, dass die Juden Mecklenburgs stets treu und unentwegt
zu ihrem Fürsten und ihrem Vaterlande gestanden hätten, und dass ihnen
Treue mit Treue, Liebe mit Liebe vergolten sei. So ist es auch noch heute,
und wenn die Gemeinde sich nun rüstet, das 25-jährige Bestehen der
Synagoge festlich zu begehen, so sind zwar neue Männer an die Stelle der
alten, erprobten Führer gerückt, aber der Glaube und die Gesinnung sind
die alten geblieben! Aus kleinen Anfängen heraus hat die Gemeinde es
verstanden, sich das Vertrauen und die Achtung ihrer Mitbürger zu
erwerben, möge ihr eine blühende, segensreiche Zukunft beschieden
sein." |
Weiteres aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Arthur Bock (geb.
7.3.1894 in Neubrandenburg, gef. 1.7.1916), Benno Bock (geb.
4.3.1890 in Neubrandenburg, gef. 10.8.1915), Gefreiter Walter Heine (geb.
5.2.1894 in Neubrandenburg, gef. 22.7.1917), Gefreiter Martin Keibel (geb.
28.10.1879 in Neubrandenburg, gef. 6.8.1915), Hermann Müllerheim (geb. 7.7.1888
in Neubrandenburg, gef. 1.12.1914); außerdem ist gefallen: Ernst Robert (geb.
8.10.1887 in Neubrandenburg, vor 1914 in Duisburg wohnhaft, gef.
6.10.1914).
Zum Gedenken: Von den in Neubrandenburg geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Alexander Bock (1896),
Ilse Bock geb. Bock (1896), Leonhard Bock (1879), Franziska Born geb. Heine
(1871), Mia Brandwein (1930), Käte David geb. Jacob (1891), Betty Eliasowitz (1902), Else Eliasowitz
(1910), Erich Heine (1886), Max H. Heine (1863), Jenny Hirsch geb. Heine (1891),
Margarete Hoffmann geb. Adam (1888), Siegfried Hoffmann (1877), Else
Kallmann geb. Jacob (1878), Anna Löwenhaupt (1863), Hanna Löwi geb. Gutmann
(1882), Adolf Meyer (1876), Horst Meyer (1925), Paul Manfred Meyer (1921),
Betty Moses geb. Wronker (1871), Lucy Ortlepp geb. Bock (1883), Erna Putziger
geb. Emanuel (1888), Hildegard Salomon geb. Burchard (1906), Elisabeth Schumm
geb. Wronker (1874), Adolf Tumbowsky (1905), Max Tumbowsky
(1909).
Zur Geschichte des Friedhofes
(erstellt unter Mitarbeit von Burkhard Prehn)
Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden zunächst in (Alt-)Strelitz beigesetzt
(vgl. Bericht oben von 1874). Nach der Gründung einer jüdischen Gemeinde in Neubrandenburg
(1864) konnte diese 1864/66 einen eigenen Friedhof in unmittelbarer Nähe
des (heute nicht mehr bestehenden) alten evangelischen Friedhofes anlegen.
Dieser evangelische Friedhof befand sich schon seit 1805 zwischen der damaligen
Scheunen- und der Katharinenstraße. Zur Finanzierung der Einfriedung und
Planierung des Grundstückes des jüdischen Friedhofes steuerte jedes
Gemeindeglied eine freiwillige Spende bei, den Rest deckte man über eine
Anleihe. Die Mauer konnte Anfang September 1865 fertiggestellt werden. Am 14.
Januar 1866 erfolgte mit dem noch nicht siebenjährigen Max Löwenhaupt die
erste Beisetzung und die offizielle Einweihung des Friedhofes in Anwesenheit von
Landesrabbiner Dr. Hamburger aus (Alt-)Strelitz. Der für die Beisetzungen
notwendige Leichenwagen wurde in den folgenden Jahren von der jüdischen
Gemeinde in Penzlin ausgeliehen, bis Ende der 1870er-Jahre ein eigener
Leichenwagen angeschafft werden konnte. Zur Aufbewahrung des Leichenwagens wurde
1887 ein kleines Gebäude unmittelbar an der Friedhofsmauer errichtet. 1900
konnte der Friedhof erweitert werden. Für das Friedhofsgrundstück hatte die
jüdische Gemeinde (bereits seit 1864) eine jährliche Pachtgebühr an die
Stadtgemeinde zu bezahlen. Bis Ende der 1930er-Jahre wurden etwa 100 Tote auf
dem Friedhof beigesetzt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde der Friedhof geschändet. Die Remise mit
dem darin befindlichen Leichenwagen wurde in Brand gesteckt. Im April 1940
kündigte die Stadt Neubrandenburg den Erbpachtvertrag mit der jüdischen
Gemeinde. Der Friedhof musste auf Anordnung der städtischen Behörden
aufgelöst werden. Eine Umbettung von 19 Toten, deren postulierte zwanzigjährige
Liegezeit noch nicht abgelaufen war (das heißt Beigesetzte ab 1920) sowie
einiger weiterer Toter erfolgte im Beisein des letzten Gemeindevorstehers Isidor
Heine im Jahr 1941 auf eine gegenüberliegende Fläche des alten
evangelischen Friedhofes. Insgesamt wurden vermutlich 35 Tote umgebettet (eine
Liste findet sich im Beitrag von Burkhard Prehn S. 167-168). Die restliche
Fläche des zwangsaufgelösten jüdischen Friedhofes wurde abgeräumt und mit
einer Militärbaracke bebaut. 1973/74 wurde ein großer Teil des
Grundstückes durch das Verlags- und Druckereigebäude der Zeitung "Freie
Erde" überbaut (Ecke Feldstraße / Woldegker Straße. Die restliche
Fläche des Friedhofes ist heute als Bodendenkmal geschützt.
Nach 1945 gab es auf der jüdischen Fläche im Bereich des alten
evangelischen Friedhofes noch 31 jüdische Grabsteine; die Fläche wurde jedoch
als Müll- und Auffüllplatz missbraucht. 1963 wurden die Beigesetzten
wegen Bauarbeiten ein zweites Mal verlegt, diesmal in ein Gemeinschaftsgrab in
den südwestlichen Bereich des alten evangelischen Friedhofes (an der
Katharinenstraße). Hier wurde unter Einbeziehung der noch vorhandenen Grab- und
Gedenksteine - auf Kosten der Jüdischen Landesgemeinde Mecklenburg - eine
Gedenkanlage gestaltet, die jedoch bereits 1974 auf Anweisung der Stadt
wieder beseitigt wurde. Nun wurden die Totengebeine an einen unbekannten Ort
verbracht; die Steine wurden durch den Neubrandenburger Steinmetz Dassow
eingelagert. Die jüdische Landesgemeinde hatte 1974 keine Zustimmung für eine
dritte Verlegung der Toten gegeben. Das Friedhofsgelände des alten
evangelischen Friedhofes und damit auch die beiden Teilflächen, auf denen die
jüdischen Toten beigesetzt wurden, ist in den folgenden Jahren mit Wohnblöcken
bebaut worden.
Die von Steinmetz Dassow aufbewahrten Grabsteine wurden Grabsteine wurden von der
Stadt übernommen, 19 davon im Jahr 2008 - zum 70. Jahrestag der
Pogromnacht von 1938 - am Standort der ehemaligen Synagoge an der
Poststraße (nahe dem Bahnhof) in die dort neu gestaltete Gedenkstätte
integriert. Ein Grabstein befinden sich im Museum der Stadt (Grabstein von
Marcus Wolff [1802-1883]).
Lage des Friedhofes
Der ursprüngliche Standort des Friedhofes war am Ende der nicht mehr
bestehenden Scheunenstraße - Teil der heutigen Woldegker Straße. Der alte
evangelische Friedhof, auf dem die beiden Umbettungen eines Teiles der Toten
vorgenommen wurde, besteht nicht mehr.
|
Ungefähre Lage des
alten jüdischen Friedhofes
in Neubrandenburg auf dem dortigen Stadtplan:
links anklicken: der Link zeigt die Lage der Feldstraße an;
alternativ im
Straßenverzeichnis zu Feldstraße (/Ecke Woldegker Straße). |
Fotos
Einzelne
Presseberichte zum Friedhof und zur Erinnerungsarbeit am Ort
März 2015:
Immer noch ungeklärt: der Verbleib von
Grabsteinen des jüdischen Friedhofes |
Artikel im "Nordkurier" vom 31,
März 2015: "Überraschende Leserfrage: Jüdische Grabsteine unter Parkplatz verbuddelt?
Neubrandenburg. Eleonore Wolf und Burkhard Prehn kennen sich mit dem jüdischen Leben in Neubrandenburg bestens aus. Wer Fragen dazu hat, kann sich gern an sie wenden. Hartmut Nieswandt Eleonore Wolf und Burkhard Prehn kennen sich mit dem jüdischen Leben in Neubrandenburg bestens aus. Wer Fragen dazu hat, kann sich gern an sie wenden.
'Wie ich jetzt von einem Zeitzeugen erfuhr, wurden nach Kriegsende und bei der Errichtung des Katharinenviertels in den 1980er Jahren viele Grabsteine der einstigen jüdischen Mitbürger auf dem Divi-Parkplatz vergraben. Wann sichert die Stadt Neubrandenburg diese Überreste?' Mit dieser Frage wandte sich unser Neubrandenburger Leser Gunter Lauck an den Nordkurier. Wir gaben die Frage weiter an Eleonore Wolf, Leiterin des Stadtarchivs, und Burkhard Prehn von der Unteren Denkmalbehörde Neubrandenburg. Beide zeigten sich überrascht, wollen der Sache aber nachgehen.
'Einmal abgesehen davon, dass es den Divi-Supermarkt vor der Wende gar nicht gab, klingt es nicht plausibel, dass dort Grabsteine jüdischer Mitbürger vergraben
wurden', sagt Eleonore Wolf. Burkhard Prehn schließt nicht aus, dass es sich um eine Verwechslung handelt. Anfang der 1970er Jahre wurde an der Straße der Befreiung (heute Woldegker Straße) die Baugrube für das neue Gebäude der Tageszeitung
'Freie Erde' ausgehoben. Der Aushub aus der riesigen Grube, grober Kies, kam zur Befestigung auf die Zirkuswiese an der Schillerstraße. Die Wiese hat zwar nichts mit dem späteren Divi-Parkplatz zu tun. Aber weil es auf letzterem auch Rummel und eine Traglufthalle gab, entstand vielleicht die Legende, dass Aushub-Materialien und damit Grabsteine auf das Divi-Gelände kamen, vermutet Burkhard Prehn. "Andererseits sind wir natürlich dankbar für jeden Hinweis. Zumal bis heute nicht klar ist, wo alle rund 100 Grabsteine vom Jüdischen Friedhof geblieben sind. Umgebettet wurden nur 26."
Wider die jüdische Religion. Der Jüdische Friedhof befand sich seit 1866 auf dem Gelände nordwestlich der Straßenkreuzung Woldegker Straße/Feldstraße. 1940 wurde der Friedhof auf Druck der nationalsozialistischen Stadtvertreter aufgehoben. Ein Jahr später erfolgte – wider die jüdische Religion – die zwangsweise Umbettung von 26 Gräbern auf den Alten Friedhof an der Katharinenstraße.
Weil dort in den 1960er Jahren drei Hochhäuser errichtet wurden, bettete man 1965 die Gebeine ein weiteres Mal um. Diesmal in ein gemeinsames Grab im südwestlichen Bereich des Alten Friedhofs. 1988 schließlich wurden die menschlichen Überreste der jüdischen Gräber an einen unbekannten Ort gebracht. Hintergrund waren die Erschließungsarbeiten für das neue Wohngebiet Katharinenstraße.
Die Grabsteine der jüdischen Gräber hatten ein anderes Schicksal. Anfang der 1970er Jahre wurde der Alte Friedhof geschlossen. Im Auftrag der Stadt kümmerte sich Steinmetzmeister Richard Dassow um die Steine, lagerte sie ein. Im Jahr 2008 wurde der Synagogenplatz an der Poststraße neu gestaltet. Dort stand die 1877 erbaute Neubrandenburger Synagoge, bis die Nazis sie in der Reichskristallnacht am
9. November 1938 niederbrannten. Bei der Neugestaltung wurden 2009 die jüdischen Grabsteine einbezogen."
Link
zum Artikel |
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Juni 2020:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Neubrandenburg |
Artikel von Paulina Jasmer im "Nordkurier"
vom 12. Juni 2020: "GEDENKEN. Sechs neue Stolpersteine erinnern an
jüdisches Leben in Neubrandenburg
Nach mehr als zehn Jahren Pause sind in Neubrandenburg weitere Stolpersteine
gelegt worden. Die Recherche der Schicksale gestaltet sich teilweise
schwierig.
Neubrandenburg. In Neubrandenburg sind am Freitag sechs weitere
Stolpersteine verlegt worden. Fünf am Rande des Marktplatzcenters in der
Darrenstraße/Ecke Krämerstraße, und einer in der Treptower Straße am
Marien-Carée. Sie erinnern und gedenken der Schicksale jener Menschen, die
während des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben, deportiert, ermordet
oder in den Suizid getrieben worden sind.
Keine Freigabe für Stein Nummer sieben. Es wäre aktuell eigentlich
noch ein Stein mehr gewesen. So lautete jedenfalls der Beschluss der
Neubrandenburger Stadtvertreter, sagte Amina Kanew (Die Linke) am Freitag.
Allerdings sei für Ursula Kallmann keine Freigabe vom Bundesarchiv gekommen,
eben weil die recherchierten Ergebnisse noch zu unpräzise waren, so die
junge Ratsfrau, die die Verlegung mit initiiert hat. Am einstigen Lebens-
und Schaffensmittelpunkt der Opfer des Nationalsozialismus werden seit Mitte
der 90er-Jahre diese Messingsteine verlegt. Laut Amina Kanew sind es
europaweit bereits 400.000. Neubrandenburg hat nun elf. Die ersten fünf
waren vor gut zehn Jahren verlegt worden. Bei sechs Menschen konnten die
Mitstreiter der Stolperstein-Initiative jedenfalls alle notwendigen Daten
beschaffen. Für Mathilde Rosenstein, Franziska Born, Max Herrmann Heine,
Henny Hirschfeldt, Hildegard Fanni Salomon und Alfred Ludiwg Salomon sind
nun Stolpersteine gesetzt worden.
Ein Stolperstein kostet 120 Euro. 'Auf einer Stadtkarte von 1907 war zu
erkennen, dass an diesen Stellen einst Geschäfte und Wohnungen waren', sagt
Amina Kenw in Bezug auf die beiden Orte, an denen die aktuellen Steine am
Freitag verlegt wurden. Sie zeigte sich kämpferisch, alle Anforderungen für
den erhofften siebten Stein bald erfüllen zu können. 'Mindestens 43 Menschen
hätten einen Stolperstein in Neubrandenburg verdient', sagte sie. Für einen
Stolperstein werden 120 Euro notwendig. Geld, das für die jetzt sechs
jüngsten Steinen durch Spenden zusammengekommen war. Diese Unterstützung
erhofft sich Amina Kanew auch für weitere Stolpersteine."
Link zum Artikel Siehe auch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Neubrandenburg
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und
Thüringen. Projektleitung: Kathrin Wolff. Gesamtredaktion: Cordula Führer.
Berlin 1992. S. 39-40. |
| Michael Brocke/Eckehart Ruthenberg/Kai Uwe Schulenburg:
Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue
Bundesländer/DDR und Berlin). Berlin 1994. S. 516. |
| Mertens, Köhncke und Nicke: Jüdische Friedhöfe in
Mecklenburg-Vorpommern. FHS Neubrandenburg. 2003 S. 80-92. |
|
Informationsblatt (pdf-Datei): Jüdisches
Leben in Neubrandenburg - Spurensuche - Orte der Gewalt: zum Download
eingestellt (1,5 mb). |
| Dieter Krüger: Stete Mahnung und Verpflichtung. Vor
50 Jahren brannte die Neubrandenburger Synagoge. In: Wohin in Brandenburg?
Heft 5/1988. |
| Peter Maubach/Dieter Krüger: Geschmäht und
verfolgt - Juden in Neubrandenburg. In: Neubrandenburger Mosaik. Nr. 13/1191
S. 36ff. |
| Peter Hofmann: Jüdisches Leben in
Mecklenburg-Strelitz. Steffen Verlag. Friedland/Mecklenburg. 2007. S.
26-27.52ff. |
| Burkhard Prehn: Der Gute Ort von Neubrandenburg. Ein
Beitrag zur Geschichte, Ausstattung und Belegung des ehemaligen jüdischen
Friedhofes. In: Neubrandenburger Mosaik. Heimatgeschichtliches Jahrbuch des
Regionalmuseums Neubrandenburg Nr. 33 Neubrandenburg 2009. S. 154-173.
|
| Michael Buddrus / Sigrid Fritzlar: Juden in
Mecklenburg 1845-1945. Lebenswege und Schicksale. Ein Gedenkbuch. Hrsg.:
Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und Landeszentrale für politische
Bildung Mecklenburg-Vorpommern. 2 Bände 672 + 808 Seiten, zahlr. Abb.
ISBN 978-3-9816439-9-2 Preis: 30.- €
Weitere Informationen
Bestellungen bei der Landeszentrale für politische Bildung
Mecklenburg-Vorpommern. Tel. 0385 58817950 E-Mail
poststelle@lpb.mv-regierung.de |
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