Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Leimen (Rhein-Neckar-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Manfred Fuchs, Leimen)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden
Leimen bestand eine jüdische Gemeinde von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zu ihrer Auflösung am 20. März
1905. Ihre Entstehung geht in die Zeit Anfang des 18. Jahrhunderts zurück: erstmals werden 1712 Juden am Ort genannt, 1738 waren es sieben, 1744 bereits 14
jüdische Familien. Die jüdischen Familien wohnten zunächst in der
"Judengasse", der heutigen Hessengasse.
Große Bedeutung erlangte die Familie des Seligmann Aron, der einen
Kram- und Trödelladen in Leimen betrieb und sich nebenbei als Metzger
betätigte. Er legte den Grund für den beispiellosen Aufstieg seiner
Nachkommen. Sein Sohn Aron Seligmann (bzw. Seeligmann; 1727-74)
wurde 1746 Obereinnehmer der pfälzischen Landjudenschaft. Lange Jahre hielt er Rabbiner
in seinem Haus: - bis 1768 Hirsch Moses Katzenellenbogen (geb. ca. 1715
in Schwabach, gest. 1800 in Mannheim, zunächst Rabbiner in Mergentheim, 1763
Landesrabbiner der Kurpfalz mit Sitz in Leimen, 1769 Rabbiner in Mannheim); vor
1773 bis nach 1785 (?) Moses Fürther; seit 1782 bis 1795 Moses Tobias
Sontheim (geb. 1755 in Sontheim bei Heilbronn, gest. 1830 in Hanau; war seit
1795 Landesrabbiner der Grafschaft Hanau).
Auch der bedeutende Talmudgelehrte Naftali Hirsch lebte lange bei ihm. Als Elias
Seligmann 1774 starb, hinterließ er ein Legat von 30.000 Gulden, von dessen
Zinsen notleidende Juden unterstützt und die Gemeindebedürfnisse bestritten
werden sollten. Gemeinsam mit seinem Bruder Elias Seligmann wurde Aron
Seligmann württembergischer Hoffaktor. Beide übernahmen 1759 die
Salzversorgung von Württemberg.
Der
Sohn von Elias Seligmann war Aron Elias Seligmann (1747-1824; seit 1799 Hofagent in München)
errichtete 1779 eine Tabakmanufaktur in Leimen, in der etwa 100 Arbeiter
Beschäftigung fanden. Er besaß 1786 das Salzmonopol für die
Kurpfalz. Als zunächst kurpfälzischer, später auch bayerischer Hofagent
gehörte er zu den reichsten Männern seiner Zeit.
Weitere Informationen zu Aron Elias Seligmann und seiner Familie: Artikel bei
br-online vom 27.1.2005: Aron
Elias Seligmann - Bankier des Königs
sowie Wikipedia-Artikel
zu Aron Elias Seligmann (von hier die Abbildung des Gemäldes von Johann
Peter Langer links, das sich lange im Magazin der Neuen Pinakothek in München
befand, seit 1985 im Rathaus in Leimen)
Susanne Reber: Familie von Eichthal - Die bayerischen Verwandten des
Dirigenten Hermann Levi (1839-1900). 2021.
Online eingestellt (pdf-Datei).
Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde in Leimen um 1780 mit 82
Personen erreicht. 1776 fand in Leimen eine Gesamtversammlung der pfälzischen
Landjudenschaft statt.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine Schule
und ein rituelles Bad. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde gab es
zeitweise einen Lehrer/Vorsänger am Ort. 1822 wird als Vorsänger Wolf Seligmann
genannt. Gemeindevorsteher war damals Samuel Schiff. Die Gemeinde wurde 1827 dem Rabbinatsbezirk Heidelberg
zugeteilt.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner
Leimens durch Abwanderung nach Mannheim und durch die Übersiedlung der Familie
Seligmann nach München zurück. Es wurden gezählt: 1825 36 jüdische
Einwohner, 1832 33, 1836 26, 1839 27, 1864 27, 1871 14, 1875 13, 1880 13, 1885
11, 1890 4, 1895 4, 1900 4, 1905 6, 1910 7, 1925 6, 1933 5.
Nach Auflösung der Gemeinde 1905 gehörten die hier noch lebenden Juden zur Gemeinde im benachbarten Nussloch.
Zu den 1933 fünf jüdischen Einwohnern Leimens kamen durch Zuzug drei
weitere hinzu. Von diesen acht emigrierten drei in die USA, eine Person nach
England. Vier jüdische Einwohner, der ehemalige Besitzer der Bergbrauerei
Leimen Hugo Mayer mit seiner Frau Karolina geb. Bierig sowie Karoline Bierig und
Tochter Selma Bierig, wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Hugo
Mayer starb 1942 im Lager Nie. Seine Witwe wurde 1944 nach Auschwitz verbracht.
Die beiden anderen sind verschollen und wurden für tot erklärt.
Von den in Leimen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Karoline Bierig geb. Bierig
(1878) und Tochter Selma Bierig
(1908), Heinrich Jacobi (1874), Hugo Mayer (1864) und Frau Karoline Mayer geb. Bierig (1879).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Gründung eines Vereins in der Gemeinde
(1846)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Orient" vom 29. Januar 1846:
"Heidelberg, 1. Januar (1846). Auch in den kleinen israelitischen
Landgemeinden unseres Großherzogtums scheint sich ein neues religiöses
Leben zu entwickeln. So hat sich in der benachbarten kleinen Gemeinde
Leimen vor Kurzem ein Verein gebildet, dessen Zweck es ist, alle vier
Wochen den tüchtigen und durch seine Kanzelberedsamkeit ausgezeichneten
Rabbiner Fürst von Heidelberg zu berufen, damit derselbe in
gottesdienstlichen Vorträgen die Gemeinde über die betreffenden
Toraabschnitte belehre. Möchte das Beispiel Leimens auch bald bei anderen
Gemeinden Nachahmung finden. ...a..." |
Auflösung der jüdischen Gemeinde (1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Mai 1905:
"Heidelberg. Wieder hat, dem Zuge der Zeit folgende, eine
jüdische Gemeinde auf dem Lande aufgehört zu existieren. Die jüdische
Gemeinde in Leimen ist aufgelöst und ihr Vermögen dem
Religionsschul- und Pensionsfonds zugewiesen worden." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Über die Familie von Eichthal (Artikel von 1905;
bespricht den bayerischen und französischen Zweig der Familie)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 28. April 1905: "München, 18. April (1905). Über eine jüdische
Familie, die in Bayern eine große Rolle gespielt hat, erfahren wir
heute aus Paris Näheres. Französische Blätter berichten nämlich, dass
Herr Louis d'Eichthal seiner wissenschaftlichen Verdienste wegen
zum Mitglied des Instituts ernannt worden ist. Sein Vater Gustav
d'Eichthal, der als vierzehnjähriger Knabe zur katholischen Religion
übertrat, war ein bekannter Hellenist, dessen Werke in der französischen
Gelehrtenwelt sehr geschätzt wurden. Er schrieb auch über Bibelkritik.
In Frankreich ahnen wohl die wenigsten noch, dass die Familie Eichthal,
von der ein Zweig schon seit hundert Jahren im Besitze des französischen
Bürgerrechts ist, von den Ufern der Isar nach denen der Seine gelangte.
Denn in München stand die Wiege dieses Geschlechts, dessen Name
ursprünglich 'Seligmann' lautete. Aron Elias Seligmann, ein
außerordentlich gewandter Finanzmann, war der Hofbankier des Königs Max
Joseph von Bayern und, da er sich des Vertrauens des Königs in fast
unbegrenztem Maße erfreute, einer der angesehensten Männer im Lande. Im
Jahre 1814 verlieh der König ihm den Adel und Freiherrenstand, indem er
zugleich seinen Namen Seligmann in 'Eichthal' verwandelte und ihm das
Wappen der alten erloschenen Familie von Thalmann erteilte. Ob er selbst
oder erst seine Söhne zum Christentum übertragen, wissen wir nicht. Von
den Söhnen dieses ersten Freiherrn von Eichthal begründete der älteste,
Ludwig, in Paris das Bankhaus 'Louis d'Eichthal', während ein Jüngerer,
Simon mit Vornamen, der Schöpfer und erste Direktor der bayerischen
Hypotheken- und Wechselbank wurde. Von ihm stammt die noch in Bayern
blühende Nachkommenschaft des Hofbankiers, die mit den vornehmsten
Familien des süddeutschen Adels verwandt und verschwägert und sogar mit
dem Hause Wittelsbach dadurch in Blutsverwandtschaft getreten ist,
dass der derzeitige Familienchef, der kaiserliche Legationssekretär a.D.,
Freiherr Karl von Eichthal, mit einer Gräfin von Oetting und Fünfstetten
verheiratet ist, - die Grafen Otting, die früher Freiherrn von Schönfeld
hießen, stammen in direkter Linie von dem Pfalzgrafen Friedrich Michael
von Zweibrücken, dem Vater des Königs Max Joseph. Erwähnt sei noch,
dass zwei der hervorragendsten Münchener Maler, die Professoren Leo
Samberger und Albert von Keller, jeder mit einer Freiin von Eichthal
vermählt sind. Albert von Keller hat die schönen Züge seiner Gemahlin,
die zu den gefeiertsten Erscheinungen der Münchener Gesellschaft gehört,
auf manchem Bilde festgehalten, und eins ihrer Porträts ist auch in der
Münchener Neuen Pinakothek, für die der Staat es erwarb, zu
erblicken." |
Über den Hofbankier Aaron Elias Seeligmann (Artikel von 1931)
Artikel
in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 15. Oktober 1931:
"Unter den jüdischen Heereslieferanten und Anleihenegozianten
Bayerns nimmt der Hofbankier Aaron Elias Seeligmann eine ganz überragende
Stellung ein. Er stammte aus Leimen bei Heidelberg, wo er 1779 eine
Tabakfabrik gründete. Seeligmann war bereits kurpfälzischer Hoffaktor,
als er 1786 zum K. und K. Hof- und Kammeragenten ernannt wurde wegen
seiner Verdienste als Lieferant an die kaiserlichen Truppen in den
Niederlanden. Als Verpflegungsadmoniateur der bayerischen Armee errang er
im Jahr 1800 eine Monopolstellung, nachdem er die übrigen
Lebensmittellieferanten in den vorhergegangenen Jahren verdrängt hatte.
Im Jahre 1802 gewährte Seeligmann dem bayerischen Staat eine 3 Millionen-Gulden-Anleihe
zu 6 % Zinsen gegen Verpfändung der Steuereinnahmen, 1804 eine 500.000
Gulden-Anleihe zu 5 % und 1909 eine 4 Millionen-Anleihe zu 5 % gegen
Verpfändung der Zolleinnahmen. Im Jahre 1804 wurde dem Hofbankier A. E.
Seeligmann das Rechnungswesen des 'Ministerialauswärtigen Departements'
übertragen. Der Hofbankier hatte die Gehaltsauszahlungen an die Beamten
des auswärtigen Dienste in München und im Ausland vorzunehmen. Insoweit
nicht jeweils im gleichen Monat der Rückersatz durch die Staatskasse
geleistet wurde, erhielt Seeligmann eine Zinsvergütung. Da die Bezahlung
der Staatsbeamten viele Jahre hindurch großen Unregelmäßigkeiten
ausgesetzt war, so wurde wenigstens dem bayerischen Gesandtschaftspersonal
im Ausland die Gehaltszahlung durch den Hofbankier gesichert. Auch für
den sonstigen Geldbedarf des auswärtigen Dienstes, für Geschenke,
Reisekosten und dergleichen hatte Seeligmann die Mittel bereitzustellen.
Neben der Finanzierung des diplomatischen Dienstes leistete der Hofbankier
fortwährend Vorschüsse an den immer geldbedürftigen bayerischen König
Max I. So gewährte Seeligmann der königlichen Kabinettskasse vom
22. Februar 1809 bis 10. Februar 1810 nicht weniger wie 12 Vorschüsse,
welche zusammen 253.224 Gulden ausmachten. Seeligmann erfreute sich des
vollsten Vortrauens und der besonderen Gunst seines Königs, der ihm am
22. September 1814 den Adel als Freiherr von 'Eichthal' verlieh." |
Grabstein von Aron Seligmann aus Leimen im
Friedhof Wiesloch (Artikel von 1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August
1900:
"Mitteilung von Rabbiner Dr. Ackermann in Brandenburg
a.H. Der Herausgeber dieser Blätter führt in seiner Geschichte der
Juden in der Kurplatz (S. 220) den um die Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts als 'Obergeldeinnehmer' der Landjudenschaft in Leimen
lebenden Aron Seligmann an. Leimen, ein kleiner, ehemals als
Rabbinatssitz bedeutsamer Ort bei Heidelberg, brachte und bringt heute
noch seine Toten auf den bald 300 Jahre alten Friedhof
zu Wiesloch. Auch Aron Seligmann ist in Wiesloch begraben und ich gebe
im Folgenden seine Grabschrift wieder. Dieselbe, auf einem großen,
vorzüglich erhaltenen Steine befindlich, bestätigt das ungeheure
Ansehen, welches Aron Seligmann genoss, seine Frömmigkeit, seine
Wohltätigkeit, und gibt auch Kunde von der großen Stiftung, die der
bedeutende Mann zu frommen Zwecken hinterlassen hat und von der ich selbst
während meiner Studienzeit durch mehrere Jahre hindurch die Zinsen
genossen habe. Die Grabschrift lautet:
Zum Lesen der hebräischen Inschrift bitte Textabbildung
anklicken. |
Jüdischer Gefallener des Krieges 1870/71 aus Leimen
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. September
1895: "Zur Vervollständigung Ihrer Mitteilungen über die Teilnahme
jüdischer Soldaten an dem Kriege von 1870 und zur Charakteristik der
nichtswürdigen Ausfülle, welche von antisemitischer Seite gegen die
jüdischen Soldaten in Baden jüngst gewagt wurden, teile ich Ihnen mit,
dass in einer Woche drei badische Soldaten jüdischen Glaubens allein vor
Straßburg den Tod fürs Vaterland erlitten haben: Hirsch aus Ladenburg, Jacobi
aus Leimen und Joseph aus Mannheim. Die Leiche des Letztgenannten
wurde im September 1870 nach Mannheim gebracht, woselbst sie mit
militärischen Ehren bestattet wurde. Heidelberg, im September (1895). J.S." |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Das jüdische
Wohngebiet konzentrierte sich im 18./19. Jahrhundert vermutlich auf heutige
Hessengasse, woher die zeitweilige Bezeichnung dieser Straße als "Judengasse"
herkommen wird.
Die Gemeinde unterhielt eine Synagoge am Marktplatz.
Es ist nicht bekannt, wann sie erbaut worden ist. Sie war – durch Stiftungen
der Familie Seligmann – gut ausgestattet. Nach den Listen der
Feuerversicherung im Gemeindearchiv Leimen waren 1847 zehn, 1858 noch acht
Torarollen vorhanden. Nach Auflösung der Gemeinde wurde das Synagogengebäude
1905 für 8.000 Mark an die politische Gemeinde verkauft. Laut
den Gemeinderatsprotokollen von Leimen wurde die Synagoge nach dem 27.
Oktober 1905 und vor dem 21. November 1905 abgebrochen, um Raum für
einen Marktplatz zu erhalten.
Der Almemor der Synagoge Leimen, der von der Familie Seligmann gestiftet worden
war, befand sich nach dem Wegzug der Familie von Leimen im Museum für jüdische
Altertümer in Frankfurt am Main (1938 zerstört). Der Beschneidungsstuhl der
Leimener Synagoge befand sich später in der Heidelberger Synagoge.
Fotos / Plan
(erhalten von Manfred Fuchs, Leimen)
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juni 2010:
Schülerinnen auf Spurensuche |
Artikel von Werner Popanda in
der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 22. Juni 2010 (Artikel
einsehbar über Website der Geschwister-Scholl-Schule St. Ilgen siehe unten):
"Drei Schülerinnen erinnern an das Schicksal der Juden in
Leimen.
Leimen. Bis zum 22. Oktober 1940 lebten Karoline und Selma Bierig sowie das Ehepaar Karoline und Hugo Mayer gemeinsam in der Rohrbacher Straße 2 in Leimen. An diesem Dienstag stand frühmorgens aber plötzlich die Staatsgewalt vor ihrer Haustür..." |
|
Oktober
2010: Gedenken zum 70.
Jahrestag der Deportation nach Gurs -
Aufstellung eines Gedenksteines in der Gedenkstätte Neckarzimmern |
Bericht
von Martin Delfosse (Artikel einsehbar über Website der Geschwister
Scholl Schule St.Ilgen siehe unten):
"70.Jahrestag der Deportation badischer Juden. Am 22.Oktober 1940 wurden nahezu sämtliche Juden Badens, der Pfalz und des Saarlandes aus ihrer Heimat herausgerissen und in das südfranzösische Lager Gurs verschleppt. Aus Anlass des 70.Jahrestages dieser Deportation läuten am 22.Oktober um 11 Uhr die Totenglocken zum Gedenken an die Opfer dieser Gewalttat.
Auch aus Leimen wurden damals vier jüdische Mitbürger deportiert. Am Sonntag, den 17.Oktober 2010 haben die Schülerinnen Katharina Belman, Anastasia Gammermajster und Sabina Kinderknecht von der GSS-St.Ilgen im Rahmen einer Gedenkfeier auf der
zentralen Gedenkstätte in Neckarzimmern an diese vier jüdischen Mitbürger aus Leimen erinnert, indem sie den von ihnen gestalteten Gedenkstein
vorgestellt haben.
Auf der Gedenkfeier sprachen unter anderem auch der Landesrabbiner Benjamin David Soussan und Kurt Maier, ein Überlebender der Deportation vom 22.Oktober 1940, der als zehnjähriger Junge verschleppt worden war. In seiner Ansprache ging Kurt Maier auf die Bedeutung des Ökumenischen Mahnmal-Projektes ein:
'Die jungen Menschen aus Baden haben sich mit ihren Gedenksteinen selber in den Kreis der Erinnerungen eingereiht. Später werden sie ihren Kindern davon erzählen, was sie in ihren Nachforschungen erfahren und erlebt haben. Auf diese Weise entsteht ein Mahnmal, das Zeit und Stein überdauern wird….Erweisen wir unseren Respekt den jungen Menschen, die uns vor Augen führen, dass Erinnern Heilen
bedeutet."
Nachstehend können Sie die Worte der drei Schülerinnen zum Gedenken an die verschleppten Juden Leimens
nachlesen:
"Mit diesem Stein wollen wir der vier jüdischen Mitbürger gedenken, die am
22. Oktober 1940 aus Leimen verschleppt wurden. Ihre Namen sind: Herr Hugo Mayer und seine Frau Karolina Mayer, geborene Bierig. Frau Karoline Bierig und ihre Tochter Selma Bierig. Alle vier wohnten damals im Haus von Hugo Mayer in der Rohrbacherstr. 2 in Leimen.
Wir haben den Gedenkstein in Form einer Kerze gestaltet. Die Kerze und ihre Flamme stehen für die Hoffnung. In den Briefen von Hugo und Karolina Mayer aus den Lagern Gurs und Noe kommt nämlich neben ihrer Not immer auch eine hoffnungsvolle Grundstimmung zum Ausdruck.
Die letzten Zeilen, die uns von Hugo Mayer in einem Brief vom 30.März 1941 erhalten sind, lauten:
'Meine große Freude ist es nur, von euch zu erfahren, dass es Euch allen gut geht, gesund und munter seid, gut zusammen auskommt und mein einziger Wunsch ist nur, Euch allen liebe Kinder gesund zu treffen, zu sehen, zu sprechen … wenn es Gott will, so wird es noch in Erfüllung kommen.' Hugo Mayer starb zu Beginn des Jahres 1942, er wurde 78 Jahre alt.
Die letzten Zeilen, die uns von Karolina Mayer in einem Brief vom 9.September 1942 erhalten sind, lauten:
'Hoffe doch, dass es Euch gut geht und Ihr glücklich und zufrieden miteinander seid. Mir selbst geht es gesundheitlich gut. Glaube nun ziemlich sicher, dass ich nun vorerst hier bleiben kann. … So Gott will wird das neue Jahr zum Frieden führen und seid für heute noch herzlich gegrüßt und geküsst von Eurer Mutter.' Karolina Mayer wurde bald darauf von Noe nach Auschwitz verschleppt und wurde dort ermordet. Sie wurde 63 Jahre alt.
Über das Schicksal von Karoline und Selma Bierig konnten wir nichts herausfinden. Beide gelten nach der Deportation als verschollen. Die vier Wachstropfen des Gedenksteines stehen für die vier Verschleppten und dafür, dass ihre Hoffnung leider zerronnen ist.
Auf der Rückseite des Steines haben wir das Bild einer Weinrebe in den Stein eingraviert. Die Weinrebe ist einerseits ein Symbol für die Weinstadt Leimen, andererseits ist der gebrochene Zweig der Weinrebe ein Symbol für die damalige Ausgrenzung der Juden in Leimen. Denn in einem Brief aus Leimen vom 2.Januar 1939 schreibt der Sohn von Hugo Mayer:
'Heute war ich mit Vater im Garten, um unsere Rebstöcke abzuschneiden, die jetzt nicht mehr angebaut werden dürfen.'
Im Alten Testament wird im Psalm 80 das Volk Israel als der Weinstock Gottes verstanden, dessen Reben abgeschnitten und zerstört worden sind. Insofern kann das Bild der gebrochenen Weinrebe auch als ein symbolischer Ausdruck für den Holocaust verstanden werden. Im Zentrum unserer Gestaltung des Steines stehen aber die Kerze und das Licht. Möge dieser Gedenkstein ein Zeichen der Hoffnung sein, dass Juden und Christen zu einem neuen geschwisterlichen Miteinander finden." |
|
|
|
|
|
Quelle:
Geschwister-Scholl-Schule Leimen-St.Ilgen. |
|
Frühjahr
2011: Anfertigung des zweiten
Gedenksteines für Leimen |
|
|
|
|
Quelle:
Geschwister-Scholl-Schule Leimen-St.Ilgen. |
Weitere Berichte in der Website
Website der Geschwister-Scholl-Schule Leimen-St.Ilgen zum Mahnmalprojekt
Über diese Seite besteht auch die Möglichkeit des Downloads von
Presseartikeln aus der Rhein-Neckar-Zeitung zur Anfertigung und Aufstellung
der Gedenksteine in Neckarzimmern und Leimen.
|
Hinweis:
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 218-219. |
| Heinrich Schnee: Die Familie Seligmann-Eichthal als Hoffinanziers
an den süddeutschen Fürstenhöfen, in: Zeitschrift für bayrische
Landesgeschichte 25 1962 S. 163-201. |
| Georg-Ludwig Menzer: Beiträge zur Ortsgeschichte von Leimen. 1949. |
| Leopold Löwenstein: Geschichte der Juden in der Kurpfalz. 1895. S.
162. |
| Annette Weber: Das Palais Seligmann in Leimen - oder
wie man das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet. In: Jüdisches Leben in
Baden 1809 bis 2009. 200 Jahre Oberrat der Israeliten Badens. Ostfildern
2009. S. 57-63 (mit zahlreichen weiteren Literaturangaben in den
Anmerkungen). |
| Susanne Reber: Familie von Eichthal - Die
bayerischen Verwandten des Dirigenten Hermann Levi (1839-1900). 2021.
Online eingestellt (pdf-Datei). |
| dies.: Portraits jüdischer Persönlichkeiten. Gesichter
unseres Landes: Aron Elias Seligmann.
https://www.hss.de/news/detail/gesichter-unseres-landes-aron-elias-seligmann-news8383/
Auch
eingestellt als pdf-Datei. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Leimen Baden. Jews settled in the early 18th century
and numbered 82 in 1780, with the community ceasing to exist in 1905. the
Seligman family of Court Jews lived there in the 18th century. The five Jews in
Leimen in 1933 were affiliated with the Nussloch
congregation.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|